Was soll das alles eigentlich?Existenzielle und spirituelle Themen in der psychosozialen Beratung.
Eine Freundin hat mal zu mir gesagt: “Manchmal können wir doch nur noch hoffen, oder?”
So eine spannende Aussage und mit viel Tiefgang, wie ich finde!
Ich betone immer wieder, dass spirituelle und existenzielle Fragestellungen unbedingt Raum bekommen müssen in der psychosozialen Beratung und anderen Formen der professionellen Unterstützung bei Lebensfragen. In meiner Arbeit habe ich immer wieder mit Menschen zu tun, die mitten im Leben stehen, viele Herausforderungen meistern: Beruf, Beziehung, Familie, Freunde und Freizeit. Und doch gibt es eben diese stillen, manchmal ganz kleinen und empfindlichen Momente in denen die ganz grossen Fragen förmlich von Innen heraus auftauchen:
Was macht mich eigentlich aus?
Wohin will ich?
Warum mache ich dies und jenes?
Was soll ich noch machen?
Welchen Sinn macht das alles?
Die Liste könnte wahrscheinlich mehrere Seiten füllen. Immer neue Fragen können gestellt werden. Und die Antworten? Auch die gibt es heutzutage auf vielen Seiten, im Internet und in Büchern, auf Social Media und TV-Sendungen zu finden. Meinen wir jedenfalls. Denn was eben auch immer wieder kommt bei diesen Fragen: “Aber bei MIR geht das irgendwie anders…” oder “Schön und gut, das so zu lesen, mit dem inneren Frieden und loslassen und so. Aber bei mir geht das irgendwie nicht”. Und das ist es, was ich am spannendsten finde und was ich auch in der Praxis so oft erfahre: Die Fragen, die da von unserem Innersten kommen, verlangen eben auch nach einer Antwort, die in unser Innerstes passt. Und die finden wir eben nicht “da draussen” und nein, leider auch nicht bei mir.
Was mich an diesem Thema besonders berührt ist, wir alle kennen es. Es berührt unser Menschsein. Ich und du begegnen uns plötzlich ganz grundsätzlich und wenn die grossen Fragen gestellt werden, dann werden wir beide still. Und das ist nicht einfach auszuhalten, auch für mich nicht. Gross ist die Versuchung, dann sofort etwas beizutragen, eine mögliche Antwort oder eine schlaue Gegenfrage zu stellen, das Thema von allen Seiten zu reflektieren und auseinanderzunehmen. Und wenn wir das nicht tun? Wenn wir einfach mal da sitzen und schauen, was ist eigentlich los mit dieser Frage? Was ist los mit mir, wenn ich sie wirklich stelle? Wenn jemand anderes, diese Frage auch hört und sich diese Frage auch stellen lässt?
Wir kommen in Berührung mit uns selbst, mit unserer ganzen Menschlichkeit und mit der Welt, in ihrer Weltlichkeit. Da läuft so viel, schönes und eben auch nicht so schönes. Bewegendes und grosses aber auch ganz einfaches und schlichtes. Und mitten drin: Wir, ich, du. Komplett da, manchmal mit und manchmal auch ohne Möglichkeit Einfluss zu nehmen.
Aber wir können still werden. Einen Moment nehmen und einander und der grossen Frage begegnen. Wenn wir uns Raum und Zeit geben, dann kommen noch andere Fragen auf, die vielleicht einen Hinweis geben, wo es hingehen könnte:
Was WILL ich eigentlich?
Was BRAUCHE ich eigentlich?
Welchen Sinn sehe ICH?
Und welchen Sinn WÜNSCHE ich mir?
Ich weiss, auch diese Fragen sind schwierig. Aber, es gibt einen Unterschied: Ich kann sie beantworten, ich kann ihnen wirklich nachgehen. Jetzt und hier. Spüren, was passiert, wenn ich sie frage. Was würde jetzt mein innerstes nicht antworten. Nicht wie reagiert es und was macht es, sondern wie reagiere ich und was mache ich jetzt? Ja, ich habe Verantwortung, mir selbst gegenüber. Auch wenn es um die grossen Fragen geht.
Und meine Freundin, die hatte wirklich recht: Ja, wir können manchmal auch nur noch hoffen. Manchmal, wenn ich eben nicht etwas machen kann oder noch nicht weiss, wo es hingehen wird. Ich würde sagen: Ich möchte manchmal hoffen. Ich kann nicht alles wissen und können und schon gar nicht kann ich alles müssen.
Deshalb: Die grossen Fragen kommen, wenn wir der grossen Weite der Welt, der Zeit und des Lebens begegnen. Aber die Reise soll vor allem an einen Ort führen: Zu einer Begegnung mit uns selbst.
